Im Kampf fürs Bargeld: “Das Höllentor steht nun einen Spalt offen.”

Interview mit Carlos A. Gebauer über den „Kampf für das Bargeld“. Gebauer ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht und Publizist aus Düsseldorf. Die Fragen stellte Thorsten Polleit.  Das Interview erscheint erstmals am 23. April 2021 auf misesde.org.

Herr Gebauer, Sie vertreten als Rechtsanwalt in einem Musterverfahren einen Mandanten, der auf sein Recht pocht, den Rundfunkzwangsbeitrag bar bezahlen zu dürfen. Bevor wir über den Fortgang des Verfahrens sprechen und seine Bedeutung im „Kampf für das Bargeld“ erkunden wollen, möchte ich Sie jedoch zunächst etwas ganz Grundlegendes fragen: Was bedeutet eigentlich „gesetzliches Zahlungsmittel“? Und wie unterscheidet es sich von den Giroguthaben, die ich auf meinem Bankkonto habe?

Carlos A. Gebauer: Wer in einer arbeitsteiligen Wirtschaft Leistungen anderer in Anspruch nimmt, der hat dafür in aller Regel eine Gegenleistung zu erbringen. Meist besteht diese Gegenleistung darin, einen Preis zu entrichten. Den Preis einer Leistung drücken wir üblicherweise im Maßstab unserer Währung aus. Wir sagen zum Beispiel: „Die Ware X kostet 100 Euro“ oder „Eine Dienstleistungsstunde kostet 200 Euro“. Dieser sehr alltägliche Vorgang scheint auf den ersten Blick sehr banal zu sein. Er setzt jedoch – unausgesprochen – eine vorangegangene Einigkeit der Beteiligten über einige grundlegende Spielregeln der Transaktion und zugleich einige durchaus komplexe organisatorische Vorkehrungen dazu voraus: Der Gegenstand, in dem sich der Preis verkörpert, muß bereits feststehen. In Deutschland und in der gesamten sogenannten „Eurozone“ ist dies derzeit der Euro. Der Gesetzgeber hat der Europäischen Zentralbank in diesem Kontext zugleich die organisatorische Aufgabe zugewiesen, Banknoten mit dem Maßstab dieser Währung als einziges gesetzliches Zahlungsmittel zur Verfügung zu stellen. Euro-Banknoten (und Euro-Münzen) sind unser Geld und dienen uns als Zahlungsmittel.

Um den kommunikativen Vorgang aller geschäftlichen Vereinbarungen über Preise sinnvollerweise übersichtlich zu halten, hat der Gesetzgeber mit seiner Währung ein weiteres vorgesehen: Euro-Banknoten sind das sogenannte „gesetzliche Zahlungsmittel“. Immer dann, wenn sich die Parteien eines Geschäftes daher nicht ausdrücklich auf ein anderes Zahlungsmittel zur Begleichung einer entstehenden Zahlungsschuld verständigen, hat der Schuldner von Gesetzes wegen das Recht, sich durch die Leistung dieses gesetzlichen Zahlungsmittels von seiner Zahlungsschuld zu befreien. Für den Zahlungsgläubiger umgekehrt bedeutet dies: Er wird von Gesetzes wegen gezwungen, dieses gesetzliche Zahlungsmittel zu akzeptieren. Die auf den ersten Blick eigenwillige Verengung des Geschäftsverkehrs auf dieses eine (und einzige) Zahlungsmittel hat einen sehr guten praktischen Grund: Sie vereinheitlicht den Maßstab und verunmöglicht insoweit Streit über die Richtigkeit der Schuldbegleichung. Nicht zufällig heißt der Währungsmaßstab daher auch Währungseinheit (und nicht etwa Währungszweiheit oder Währungsdreiheit).

Der wesentliche Unterschied zwischen einer körperlich greifbaren Banknote und einem Giroguthaben läßt sich nun wohl am besten literaturwissenschaftlich ausdrücken: Eine Banknote ist ein realer Gegenstand, ein Giroguthaben hingegen ist nur die Erzählung von einem solchen Gegenstand. Übergibt ein Käufer einem Verkäufer daher nicht eine Banknote zur Kaufpreistilgung, sondern überweist er den Betrag, so tritt die Erzählung seiner Bank, für ihn eine solche Banknote zu verwahren, an die Stelle des Gegenstandes. Akzeptiert der Verkäufer anstelle der Übergabe eines Geldscheines eine solche Giralgeldüberweisung, dann begnügt er sich also damit, daß an die Stelle der Verwahrungserzählung der Käuferbank künftig die Verwahrungserzählung seiner eigenen Bank tritt. Ob die beteiligten Banken das Geld wirklich verwahren und ob sie auf Anforderung auch tatsächlich in der Lage wären, den Geldschein herauszugeben, wissen die Beteiligten nicht. Sie glauben lediglich daran, daß die Erzählung der Banken richtig ist. Weil dieser Glaube leider täuschen kann, sagt man wohl traditionell: „Nur Bares ist Wahres.“

Eine „Erzählung“ hat, so habe ich in der Schule gelernt, Einleitung, Hauptteil und Schluss. Gehe ich recht in der Annahme, dass es im Hauptteil der „Erzählung der Bank“ um die folgende Frage geht: Welche Beziehung besteht zwischen Giroguthaben und dem gesetzlichen Zahlungsmittel – hat man mit einem Euro-Giroguthaben einen rechtlichen Anspruch, sich es im gesetzlichen Zahlungsmittel ausbezahlen zu lassen, wenn man es wünscht? Oder ist mein Giroguthaben tatsächlich nichts „Wahres“, weil es ja nichts „Bares“ ist? Vermutlich ist die Antwort auf diese Frage entscheidend für den Schluss der „Erzählung der Bank“ …

Carlos A. Gebauer: Wer sein eigenes Geld in Gestalt von Banknoten nicht selbst tatsächlich besitzen möchte, indem er es gegenständlich behält, der bringt es meist zu der Bank seines Vertrauens und zahlt es dort auf ein Konto ein. Insbesondere Händler verfahren in großen Stil so, wenn sie abends den Bestand ihrer tagsüber vereinnahmten Gelder bei einer Bank abgeben. Würde eine Bank diese Geldscheine nun simpel auf einen Haufen legen und sie für den jeweiligen Kunden verwahren, könnte man denken, dass dieser sein Eigentum stets bei der Bank wieder abholen kann. In der Realität läuft es aber rechtlich und tatsächlich anders. Dies beginnt schon damit, daß die Geldscheine selbst gar nicht richtiges rechtliches Eigentum ihres jeweiligen Besitzers sind, sondern von ihm nur als Geld genutzt werden dürfen. Bargeld ist ein „Umlaufmittel“ und als solches dazu bestimmt, unter den Wirtschaftssubjekten herumzulaufen. Das englische Wort „currency“ enthält diesen Gedanken übrigens auch noch in sich: „currere“ ist Latein und heißt „umherlaufen“. Und weil Banken wissen, daß Geld gerne umherläuft, geben sie es auch nach jeder Einzahlung oft gleich wieder aus. Dennoch „erzählen“ sie ihrem Kunden auf dem Kontoauszug zu dessen Girokonto, daß sie den eingezahlten Betrag noch immer für ihn verwahrten …

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