Über F.A. von Hayek’s Analyse der Demokratie

 

Democracy has not proved to be a certain protection against tyranny and oppression, as once it was hoped. Nevertheless, as a convention which enables any majority to rid itself of a government it does not like, democracy is an inestimable value.

 

Friedrich A. von Hayek (1899-1992)

 

TAKE AWAY

Nach F.A. von Hayek ist die moderne repräsentative Demokratie durch die verschiedensten Formen des politischen Schacherns um die Durchsetzung der Sonderinteressen von Koalitionen organisierter Gruppen geprägt. Dadurch, dass amtierende Regierungen in der Regel die Macht haben, bestimmten Gruppierungen Privilegien zu gewähren, geraten sie unter den Druck, dies auch dann zu tun, wenn es um die Sicherung von erforderlichen Mehrheiten bei den nächsten Wahlen geht. Das Verwischen der Trennung von Legislative und Exekutive führte dazu, dass es nun eine einzige Körperschaft übernommen hat, nicht nur Recht zu setzen, sondern gleichzeitig auch dieses durchzusetzen und die Regierungsgeschäfte zu führen. Beunruhigt durch die gesellschaftspolitischen Verwerfungen und Entwicklungen repräsentativer Demokratien, und die zunehmende Missachtung der Gewaltentrennung, publizierte Hayek, fast wie ein ‘ceterum censeo’ bis etwa zur Mitte der 1980ger Jahre immer wieder seine Kritik an der zeitgenössischen Regierungsform.

 

I

Während der letzten rund 200 Jahre, jedenfalls aber vom Ende absoluter Monarchien bis zum Aufstieg der nahezu unbeschränkten Demokratien unserer Zeit, war es das Ziel liberaler Denker gewesen, die Macht von Regierungen zu beschränken. Um willkürlicher Machtausübung vorzubeugen, waren dabei die Trennung der Gewalten, die Herrschaft des Gesetzes, die Stellung der Regierung unter das Gesetz, die Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Recht und schliesslich auch die Regelung gerichtlicher Prozesse die leitenden Prinzipien. Alle diese Massnahmen sollten dazu dienen, jene Bedingungen einzugrenzen, unter denen eine Nötigung von Einzelpersonen zulässig war. War nach den grossen politisch-philosophischen Entwürfen zur Demokratie (Protagoras, Hobbes, Locke, Toqueville, …) jede Art von Zwang oder Nötigung noch auf die Durchsetzung allgemein gültiger Regeln beschränkt und nur dort anwendbar, wo es in einem übergeordneten, allgemeinen Interesse lag, so wird heute der vollkommen leere und undefinierte Begriff des öffentlichen Interesses in der politischen Diskussion dazu benützt, Befürfnisse bestimmter Gruppen erfolgreich durchzusetzen. Nach Hayek ist die moderne Demokratie daher durch die verschiedensten Formen des politischen Schacherns um die Durchsetzung der Sonderinteressen von Koalitionen organisierter Gruppen geprägt.

Dadurch, dass amtierende Regierungen in der Regel die Macht haben, bestimmten Wählergruppierungen Privilegien zu gewähren, geraten sie unter den Druck, dies auch dann zu tun, wenn es um die Sicherung von erforderlichen Mehrheiten bei den nächsten Wahlen geht. Durch das Verwischen der Trennung zwischen Legislative und Exekutive kam es somit dazu, dass es nun eine einzige Körperschaft übernommen hat, nicht nur Recht zu setzen, sondern gleichzeitig auch dieses durchzusetzen und die Regierungsgeschäfte zu führen. Da eine ausnahmslose Bindung an allgemeine und abstrakte Regeln, die für eine vom Gesetzgeber nicht vorhersehbare Zahl von Personen und Institutionen kaum mehr gewährleistet ist, kann diese gewählte Institution daher Recht in beliebiger Ausformung und für beliebige Zwecke setzen. Aus der Zuweisung dieser umfassenden Kompetenz an eine einzige Körperschaft folgert Hayek, dass die Regierung nicht nur zum Handlanger von Koalitionen organisierter Interessen verkommt. Für ihn müssen auch die jeweiligen Abgeordneten, um wiedergewählt zu werden, die Präferenz ihrer Handlungen regelmässig so setzen, dass damit kurzfristig immer die höchste politische Wirkung erzielt werden kann. Die nominell souveräne Vertretungskörperschaft, deren Vollmachten weder beschränkt sind noch auf der Festlegung allgemeiner Regeln beruht, ist allerdings paradoxerweise notorisch schwach, weil sie ständig von der Unterstützung der verschiedenen Interessengruppierungen abhängig ist. Diese Gruppierungen tauschen dann im Allgemeinen ihre Gunst gegen verschiedene Privilegien ein, deren Vergabe in der alleinigen Macht der Regierungen liegt. Diese Entwicklung der modernen Demokratien mag vielleicht historisch unvermeidlich gewesen sein, sie kann aber kaum als eine logische Folge der Anwendung des demokratischen Ideals gesehen werden.

 

II

Die entscheidenden Prinzipien des klassisch-liberalen Freiheitsideals, wie die “Rule of Law” oder die Idee des “Government under the Law” können sinnvoll nur angewendet werden, wenn wir “Recht” klar vom Begriff “Gesetz” unterscheiden. War für die Begründer des Konstitutionalismus das Wort Gesetz noch sehr genau und eng definiert und der Schutz der individuellen Freiheit von einer, durch Gesetze beschränkten Regierung garantiert, so wurden diese liberalen Prinzipien im Verlauf der politischen Diskussion durch bewusste inhaltliche aber auch semantische Veränderungen ihrer Bedeutungen beraubt.  Als sich dann die Meinung zu verbreiten begann, die demokratische Kontrolle von Regierungen mache alle anderen Sicherheitsmassnahmen gegen Gewaltmissbrauch obsolet, wurden die meisten dieser Grundsätze mehr und mehr zweitrangig.  Der Begriff Gesetz, auf dem die Bedeutung der konstitutionellen Regierungsform beruhte, wurde durch die schrittweise Umdeutung der Schlüsselworte seiner traditionellen Bedeutung beraubt.

Wir haben uns heute bereits daran gewöhnt, jeden Befehl den eine gesetzgebende Körperschaft erlässt ein Gesetz zu nennen, ohne dabei viel darüber nachzudenken, dass solche Gesetze jederzeit auch zum Werkzeug für weitere Regulierungen oder zur systematischen Einschränkung individueller Freiheiten werden können. Die weitgehenden Vollmachten, die sich Regierungen während der sogenannten Pandemie selbst gegeben und damit die individuellen Freiheiten weitgehend eingeschränkt haben, können hier als Beispiel angeführt werden. Diese Begriffsverwirrung führte im Laufe der Entwicklung der modernen unbeschränkten Demokratie jedenfalls dazu, dass das Recht unter die Herrschaft der Verwaltung geriet, und bedauerlicherweise nicht umgekehrt.  Nur durch die Herrschaft des Rechts als Basis jedes Rechtsstaates, wird die Zwangsgewalt des Staates auf die Durchsetzung allgemeiner, für alle gleich geltenden Rechtsregeln beschränkt. Diesem Idealzustand entsprechend hat der Staat gegenüber dem Bürger daher weder freies Ermessen in der Anwendung noch irgendeine andere Macht, als diejenige, die zur Durchsetzung eben dieser Rechtsgrundsätze notwendig ist.  Man wollte mit dem Gesetz eine Antithese zu allen speziellen Geboten oder Privilegien bilden, die sich auf Einzelpersonen oder auch Gruppen organisierter Interessen beziehen.

So führte dieser hehre Grundsatz im Laufe der Entwicklung folgerichtig auch zum Freibrief mit dem es der höchsten staatlichen Autorität erlaubt wurde, sich ständig selbst Gesetze zu geben, die jederzeit dazu dienen können, den besonderen politischen und wahlstrategischen Anforderungen des Augenblicks gerecht zu werden. Aber es bedeutete notwendigerweise auch das Ende des oben erwähnten liberalen Prinzipes der “Regierung unter dem Gesetz“. Während es durchaus vernünftig erscheint, nicht nur die Gesetzgebung, sondern auch die Regierungsmassnahmen durch eine demokratische Vorgangsweise zu regeln, so bedeutet das Zusammenlegen beider Gewalten in der Hand ein und derselben Versammlung in der Praxis aber einen bedauerlichen Rückschritt in den Zustand, in dem demokratisch legitimierte, aber unbeschränkte und unkontrollierbare Regierungen am Werk sind.

Was wir heute gewöhnlich als “Recht” bezeichnen, sind daher nach F.A. von Hayek eigentlich nur mehr zum “Gesetz” gemachte Regeln und/oder Befehle geworden, die zur Erreichung politisch wünschenswerter und wahlorientierter Effekte, nach Bedarf den jeweiligen tages- oder parteipolitischen Bedürfnissen oder dem Anforderungsprofil der Meinungsumfragen angepasst und eilig verabschiedet werden müssen. Während Staatsphilosophen und politische Denker wie u.a. John Locke oder David Hume noch meinten, die Gesetzgebung müsste darauf beschränkt werden Gesetze in der Bedeutung von allgemeinen Regeln zu erlassen, so wurde allmählich alles, was durch die gesetzgebende Körperschaft beschlossen wurde, als Gesetz bezeichnet. Der für das demokratische Verständnis entscheidende Gesetzesbegriff verkam somit über die Jahre zur Bezeichnung von Vorschriften, die in der Literatur mitunter als Willkürherrschaft umschrieben sind.

Hierher gehört auch die Lehre des Rechtspositivismus der zufolge jede Rechtsregel immer von einem ganz bewussten Akt der Gesetzgebung ableitbar ist und damit alle Gerechtigkeitsvorstellungen das Produkt bestimmter Interessen sind. Unter vielen anderen, war es in erster Linie der Wiener Rechtsgelehrte Hans Kelsen (1881-1973), der besonders mit seinem Buch Die Reine Rechtslehre (1934) diese einflussreiche Denkschule begründete. Kelsen, Mitschüler Ludwig von Mises‘ und Lehrer F.A. von Hayek‘s arbeitete massgeblich an der österreichischen Verfassung von 1920 und forderte in seinen Werken schon früh die Loslösung des Demokratismus vom Liberalismus. Nach ihm sollte die Freiheit des Individuums graduell der Freiheit des Kollektivs weichen. Kelsen’s “Grundnorm” zufolge müsste damit jedes Gesetz ohne Rücksicht auf dessen Inhalt Rechtswert schaffen, sodass dem Gesetzgeber keinerlei Grenzen gesetzt werden könnten. Es scheint daher für Kelsen nur recht und billig zu sein, der jeweils zuständigen und an der Macht befindlichen Autorität die Aufgabe zu übertragen, Rechtsinhalte festzusetzen,. Recht ist für Kelsen daher eine bewusste Zweckkonstruktion, die ganz bestimmten Interessen und Zwecken zu dienen hat. Unter einer ganzen Reihe anderer Theoretiker führte insbesondere der Engländer Herbert Finer diese Verwirrung zu einem gefährlichen Höhepunkt, als er in seiner Kritik an Hayek‘s berühmten Buch The Road to Serfdom schrieb, dass

 

in einer Demokratie das Recht immer nur das sein kann, was durch die Mehrheit dazu gemacht wird.

(Übersetzung KRL).

 

Diese Verschiebung der Werte, bei der die Herrschaft des Rechts zur Herrschaft des Gesetzes wird, kann den totalitären Staat zur Folge haben.

 

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