Die Bienenfabel oder Private Laster,
öffentliche Vorteile.

The Fable of the Bees: Private Vices, Publick Benefits. Ein paar Bemerkungen zum 290. Todesjahr von Bernard de Mandeville.

 

The worst of all the multitude did something for the common good.

Bernard de Mandeville (1670-1733)

 I

Über Persönlichkeit und Charakter Bernard de Mandeville’s ist trotz seiner Berühmheit relativ wenig bekannt. Es git jedoch weitgehend als gesichert, dass er am 15. November 1670 in oder nahe Rotterdam (NL) in eine Familie von Ärzten geboren wurde. Schon bald nach Beendigung der Erasmus-Schule in Rotterdam folgte Bernard de Mandeville offenbar der Familientradition und schloss das  Studium der Medizin und der Philosophie 1691 erfolgreich an der Universtät in Leiden ab. Nachdem offiziell vermutet wurde, dass er gemeinsam mit seinem Vater Michael de Mandeville in den Rotterdamer “Costerman Tax Riots” von 1690 involviert war, scheint es wahrscheinlich, dass er untertauchte und die Niederlande verliess, um bis ca. 1694 Frankreich, Italien und England zu bereisen.  Jedenfalls eröffnete er 1696 in London mit knapp 26 Jahren eine Praxis als Arzt für Magen- und Nervenkrankheiten und begann sich dort auch intensiv mit Psychologie zu beschäftigen.  Nicht nur seines Könnens und gewinnenden Wesens wegen, sondern wohl auch und wegen seines satirischen Humors konnte er sich schon bald einer gewissen Anerkennung im Englischen Adel, aber auch bei einer Gruppe niederländischer Intellektueller erfreuen. 1699 heiratete er Ruth E. Laurence, wurde Vater (mindestens) zweier Kinder und trat, nicht gerade wohlhabend ab 1703 als Schriftsteller mit Satyren und Übersetzungen einiger Fabeln Jean de La Fountaine’s erstmals an die Öffentlichkeit.  Berühmt wurde er allerdings erst durch sein Hauptwerk “Die Bienenfabel oder Private Laster, öffentliche Vorteile (1714). Hier stellt er dar, dass nicht unbedingt der tugendsam handelnde Mensch die Quelle des ‘Gemeinwohls’ ist, vielmehr genügen persönlicher Egoismus und private Laster, um den öffentlichen Wohlstand zu begründen.  Seine Gedanken beeinflussten u.v.a. etwa Ferdinando Galiani, David Hume, Adam Smith oder knapp 300 Jahre später auch F.A. von Hayek. In den Wirtschaftswissenschaften wurde seine Interpretation zu einem bekannten und viel diskutiertem Theorem. Vor 290 Jahren, am 21. Januar 1733 starb Bernard de Mandeville knapp 63 jährig an einer Grippe in London.

II

Als zu Beginn der Industrialisierung in England immer mehr Menschen vom Land in die Städte zogen, und sich der Gegensatz zwischen einer wachsenden Proletarisierung und der Blütezeit englischer Kultur und Kunst immer weiter verschärfte, wurde die Satire zum bevorzugten literarischen Stilmittel.

In dieser Form liess Bernard de Mandeville auch seine ersten Arbeiten erscheinen. Seine psychologischen Kenntnisse und tiefen Einsichten in die Arbeitsweisen des menschlichen Geistes bildeten die Grundlage für seine Allegorie “The Grumbling Hive, or Knaves Turn’d Honest” die 1705 in London erschien. Der Erfolg dieser, als ein ‘Sixpenny pamphlet’ gedruckten satirischen Gedichte war so gross, dass noch im gleichen Jahr ein anonymer Raubdruck dieser 200 Verse herausgebracht wurde. Allerdings machte sich Mandeville mit diesem ketzerischen Thema London’s einflussreiche politische, klerikale und künstlerische Kreise bald zu Feinden.  Jedenfalls veranlasste ihn dieser Zustand zu einer gründlichen Überarbeitung und zu vielen erklärenden Anmerkungen, sodass er seine satirische Analyse der Grundmotive menschlichen Handelns erst 1714, als “Fable of the Bees: or Private Vices, Publick Benefits” wieder in London erscheinen liess.

Im Wesentlichen besteht die ‘Bienenfabel’ aus vier Teilen. Im ersten beschreibt Mandeville den ‘Alltag’ eines Bienenstocks und zieht dabei Parallelen zum menschlichen Leben, in dem etwa Macht, Reichtum, Kunst, Korruption, lasterhaftes Treiben oder schierer Egoismus den Austausch von Wissen, Ideen und/oder Gütern den Fortschritt aufrecht erhalten. Im zweiten Teil illustriert er einen prinzipiellen Streit unter den Bienen, bei dem jede der anderen unterstellt, nicht nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht zu sein, sondern dass sie sich auch gegenseitig betrügen um Vorteile zu erhalten. Der Streit ended mit dem kollektiven Ruf nach einer neuen, für alle geltenden Tugend. Nachdem sich die Bienen nun auf gesellschaftliche Werte, wie etwa Selbstlosigkeit oder Güte besinnen, zeigt uns Mandeville im dritten Teil, dass die Konsequenzen tugendhaften Verhaltens meist negativ sind und das Unterdrücken aller Laster zum Zusammenbruch des Bienenstocks führen muss. Wobei, auf die menschliche Gesellschaft übertragen, die Abwanderung der Reichen und Mächtigen nur der Anfang ist.  Im letzten Teil argumentiert dann Mandeville, dass es nicht nur eine Utopie ist von schlechten Eigenschaften frei zu sein. Eine Gesellschaft braucht Laster, wie etwa Luxus, Habgier oder Stolz um zu gedeihen.

III

In Versform geschrieben ist dieses Buch die eigentliche Grundlage von Mandeville’s Kultur- und Gesellschaftstheorie. Indem Mandeville all jenes als lasterhaft bezeichnet, was in eigensüchtiger Absicht getan wird, und als tugendhaft nur zulässt, was durch Befolgung irgendwelcher moralischer Gebote entsteht, versucht er zu zeigen, dass der Wohlstand einer Gesellschaft solchen Dingen zu danken ist, die von einem rigoros moralischen Standard aus als lasterhaft bezeichnet werden müssen. So würde Schlechtes im Einzelnen zu Gutem im Ganzen führen, weil alle Beteiligten mit ihren egoistisch oder altruistisch verfolgten Zielen, nützliche Ergebnisse für andere hervorbringen können, die sie weder beabsichtigt, noch vorhergesehen oder gekannt haben. Somit ist das, was wir Zivilisation und Kultur nennen, das Ergebnis individuellen Strebens und kein vorgegebes Ziel. Vielmehr wurde unser gesellschaftliches Verhalten durch Einrichtungen, Gewohnheiten und ungeschriebenen Regeln in einer Weise gelenkt, die uns Zwecken dienen lassen, die nie bewusst erfunden wurden, sondern aus dem Überleben dessen, was sich bewährt hat entstanden sind.

Mandeville beschäftigt daher zunächst die wichtige Frage, nach welchen Regeln Menschen eigentlich leben und handeln. In weiterer Folge versucht er zu analysieren, wie sich diese Regeln des menschlichen Verhaltens überhaupt ergben haben. Er geht somit davon aus, dass die Gründe, die dem Einzelnen die gesellschaftliche Regeln befolgen lassen, wohl andere sind als jene Gründe, die erst zu diesen Regeln führten.

Durch analytisches Denken und gnadenloses Beobachten menschlichen Verhaltens gelangte Mandeville zu zwei fundamentalen Einsichten. Zum einen stellte er fest, dass wir kaum je Wissen, warum wir tun was wir tun, und zum anderen, dass die Folgen unserer Entscheidungen kaum je mit unseren Vorstellungen übereinstimmen. Diese tiefen Einsichten liessen ihn als ersten die moderne Theorie der sozialen Evolution und die Theorie spontaner Ordnungen klar formulieren. Mandeville stellt überzeugend dar, wie das individuelle Eigeninteresse, weder ersonnen noch entworfen oder verordnet, spontan zum gesellschaftlichen Wohlstand beiträgt. Für ihn dient selbst rücksichtsloses Verfolgen des Eigennutzes dem sogenannten Gemeinwohl weit besser als alles tugendhafte Verhalten oder jede öffentliche Moral. Selbst Laster wie Trunksucht, Habgier oder purer Eigennutz sind nach ihm der Motor für Wohlstand und Fortbestand jeder Gesellschaft. Dieses Argument wurde als das “Mandeville-Paradoxon” bekannt und führt besonders auch heute wieder zu scharfen Debatten über die leeren, politisch jedoch zündenden Begriffe des ‘Gemeinwohls’, des ‘öffentlichen Interesses’, oder gar der ‘sozialen Gerechtigkeit’.

In der Zwischenzeit fast aufs Zwanzigfache des Originals angewachsen, löste ie 2. Auflage der ‘Bienenfabel’ 1723 allerdings einen ebenso gesellschaftlich wie politisch lang anhaltenden Skandal in England aus. Nachdem die Kirche scharfe Angriffe gegen das Buch richtete wurde es von einem Gericht in der Grafschaft Middlesex als ein “alle Religion und bürgerliche Herrschaft” gefährdendes Machwerk verurteilt. Mandeville geriet in Widerspruch zu den Lehren Berkeley’s oder Hutcheson’s, die kaum je müde wurden, ihn und das Buch zu verdammen.  Einige seiner einflussreichen Gegner meinten gar, dass sein Name von ‘man-devil’, dem Teufel in Menschengestalt, abgeleitet wurde. Und doch liess sich das Buch nicht unterdrücken und erschien bis zu Mandeville’s Tod noch 5 mal, immer wieder von ihm erweitert und ergänzt. 1728 fügte er sogar noch einen zweiten Band hinzu, mit dem er seine Ideen weiter verfeinerte. Eine deutsche Übersetzung erschien erstmals 1761.

Auch wenn es Mandeville kaum je gelang mit seiner “Bienenfabel, oder Private Laster, öffentliche Vorteile” ein geschlossenes System seiner Gedanken oder eine eigenständige Wirtschafts- und Gesellschaftstheorie zu entwickeln, so beschrieb er doch als Erster die Wirtschaft als ein Kreislaufsystem. Präzise und provokant formuliert machten ihn seine Ideen zu einem wichtigen Vorreiter der Aufklärung. Sein berühmter Vers fasst diese Ideen zusammen:

The root of evil Avarice,

That damn’d ill-natur’d baneful vice,

Was slave to prodigality

That noble sin, whilst luxury

Employ’d a million of the poor,

And odious pride a million more

Envy it self, and vanity

Were ministers of industry.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Our Partners

Liechtenstein Academy | private, educational foundation (FL)
Altas Network | economic research foundation (USA)
Austrian Economics Center | Promoting a free, responsible and prosperous society (Austria)
Berlin Manhatten Institute | non-profit Think Tank (Germany)
Buchausgabe.de | Buecher fuer den Liberalismus (Germany)
Cato Institute | policy research foundation (USA)
Center for the New Europe | research foundation (Belgium)
Forum Ordnungspolitik
Friedrich Naumann Stiftung
George Mason University
Heartland Institute
Hayek Institut
Hoover Institution
Istituto Bruno Leoni
IEA
Institut Václava Klause
Instytut Misesa
IREF | Institute of Economical and Fiscal Research
Johns Hopkins Institute for Applied Economics, Global Health, and the Study of Business Enterprise | an interdivisional Institute between the Krieger School of Arts and Sciences, and the Whiting School of Engineering
Liberales Institut
Liberty Fund
Ludwig von Mises Institute
LUISS
New York University | Dept. of Economics (USA)
Stockholm Network
Students for Liberty
Swiss Mises Institute
Universidad Francisco Marroquin
Walter-Eucken-Institut