Die Ethik der Geldproduktion und ihre Folgen

Kurzfassung
Die Währungsordnungen der heutigen Welt ähneln sich in ihrem grundlegenden Aufbau und ihren grundlegenden Eigenschaften. Es handelt sich in fast allen Fällen um weitge- hend verstaatlichte Geldsysteme, die jeweils um eine Zentralbank organisiert sind. Diese Systeme sind weitaus stärker zentralisiert und hierarchisiert als alle früheren Geldordnun- gen. Sie beruhen zudem auf tiefgreifenden staatlichen Eingriffen in die Gewerbefreiheit, die sich anhand privatrechtlicher Kriterien nicht begründen lassen. In unserem Beitrag besprechen wir die wichtigsten wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und spirituellen Folgen, die diesen Brüchen der Privatrechtsordnung entspringen.

Abstract
Present-day monetary systems are similar in their basic structure and characteristics. In almost all cases, they are largely controlled by the state and organized around a central bank. They are far more centralized and hierarchized than all previous monetary orders. These systems are based on profound state interference in commercial freedom, which cannot be justified on the basis of private law criteria. In our contribution, we discuss the most important economic, political, cultural, and spiritual consequences that spring from these breaches of private law.

Die „Ethik der Geldproduktion“ und ihre Folgen

Die Währungsordnungen der heutigen Welt ähneln sich in ihren rechtlichen und öko- nomischen Grundlagen, und sie zeitigen auch mehr oder weniger die gleichen wirtschaftli- chen, politischen und kulturellen Folgen. Im Folgenden werden wir zunächst in aller Kürze ihre wichtigsten gemeinsamen Eigenschaften besprechen. Dabei werden wir hervorheben, dass die modernen Währungsordnungen von ihrem ganzen Wesen her Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind. Sie sind mit rein privatrechtlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren und widersprechen auch den ethischen Grundsätzen privaten Handelns. Anschliessend werden wir erläutern, welche Folgen sich aus dieser Besonderheit ergeben.

I

In allen Währungsordnungen gibt es Grundgeld und Geldsubstitute. Grundgeld ist auch bekannt unter den Namen outside money und Geld im engeren Sinne. Geldsubstitute werden auch inside money oder Geld im weiteren Sinne genannt.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Geldtypen besteht darin, dass die Geldsubstitute rechtliche Stellvertreter von Grundgeld sind. Der Emittent eines Geldsubstituts verspricht dem Empfänger, ihm auf Verlangen eine bestimmte Summe von Grundgeld auszuzahlen. So ist beispielsweise das von den heutigen Geschäftsbanken emittierte Buchgeld ein Geldsubstitut, denn die Geschäftsbanken verpflichten sich, die auf den Girokonten ausgewiesenen Guthaben auf Verlangen des Kontoinhabers jederzeit in von den Zentral- banken emittierten Noten auszuzahlen. Die Noten der Zentralbanken repräsentieren hingen keinen Rechtsanspruch auf irgendein anderes Gut. Sie sind keine Substitute, sondern eigenständige wirtschaftliche Güter.

Grundgeld und Geldsubstitute finden sich zu allen Zeiten und in allen Kulturkreisen. Auch in den heutigen Währungsordnungen sind sie deutlich zu erkennen. Zudem zeichnen sich die heutigen Ordnungen aber auch durch eine Reihe von Besonderheiten aus, durch die ihnen eine geschichtliche Sonderstellung zukommt. Dabei sind insbesondere die fünf folgenden Eigenheiten zu unterstreichen.

(1) In allen heutigen Währungsordnungen besteht ein Grundgeldmonopol bzw. ein An- nahmezwang für ein bestimmtes Grundgeld, das typischerweise von staatlich lizensierten Zentralbanken herausgegeben wird.

(2) Es gibt es typischerweise kein Monopol bei der Erzeugung von Geldsubstituten. Letztere werden vielmehr von konkurrierenden Privatbanken (z.T. auch von staatlichen oder halbstaatlichen Banken) in Umlauf gebracht. Allerdings unterliegen auch diese privaten Einrichtungen einem dichten Geflecht staatlicher Reglementierungen, und sie sind in vieler Hinsicht direkt von den Zentralbanken abhängig.

(3) Sowohl Grundgeld wie auch Geldsubstitute sind weitgehend dematerialisiert. Sie erscheinen in erster Linie als Buchgeld, aber auch in Form von Noten und in geringem Umfang auch als Scheidemünzen.

(4) Sowohl Grundgeld wie auch Geldsubstitute werden ausnahmslos auf dem Kreditweg herausgegeben („bankmässige“ Geldemission).

(5) Die Geldsubstitute werden unter Rückgriff auf das Teilreserveprinzip (fractional-reserve banking) hergestellt.

Zusammenfassend kann man mit Pascal Salin sagen, dass die heutigen Währungsordnungen durch und durch „verstaatlicht, zentralisiert und hierarchisiert“ sind. Die Zentralisierung und Hierarchisierung sind jedoch schon Folgeerscheinungen der Verstaatlichung, und somit muss letztere als des Pudels Kern angesehen werden.

Keineswegs sind die heutigen Währungsordnungen spontane Ordnungen, die dem freien Miteinander und dem freien Wettbewerb des Marktes auf ungeplante Weise entspringen. Es sind gewollte und geplante Ordnungen aus Menschenhand. Wir bezeichnen sie daher auch als Währungssysteme in Abgrenzung zu den wettbewerblichen Währungsordnungen des freien Marktes.

II

Diese Verstaatlichung verfolgt zwei hauptsächliche Ziele.

Zum einen soll die Geldproduktion möglichst erleichtert werden. Darauf zielen vor allem die soeben hervorgehobenen Eigenheiten (1), (3) und (5). Zum anderen soll verhindert werden, dass diese Erleichterung missbraucht wird und der Geldwert daher allzu schnell verfällt. Denn in diesem Fall wäre zu erwarten, dass sich die Marktteilnehmer von diesem inflationären Geld abwenden und nach Alternativen Ausschau halten. Diesem Zweck dienen insbesondere die Eigenheiten (2) und (4), aber auch die gesetzlichen Stabilitätsverpflichtung, der die Zentralbanken typischerweise unterliegen.

Die Berechtigung des zweiten Zieles wird von fast niemandem ernsthaft bestritten, und wir brauchen daher hierauf nicht einzugehen. Allenfalls wäre es lohnend, darauf einzugehen, ob die staatliche Gängelung der privaten Finanzwirtschaft wirklich geeignet ist, die private Geldproduktion zu drosseln und welche weiteren finanziellen Folgen sich aus dieser Gängelung ergeben.

Auch die Berechtigung des ersten Zieles wird heute von den meisten Berufsökonomen nicht in Zweifel gezogen, und in dieser Hinsicht besteht zwischen unserem Zeitalter und früheren Generationen ein markanter Unterschied. In der Tat zeichnete sich die klassische Ökonomie (Smith, Ricardo, Say) gerade dadurch aus, dass sie die Vorteilhaftigkeit einer leichten Geldproduktion grundsätzlich verneinte und nur in Ausnahmefällen zugestand. Auch in unseren Tagen wird diese klassische Auffassung von den Ökonomen der Wiener Schule verfochten, allerdings aus der Position einer krassen Minderheit.

Wir wollen in unserem heutigen Beitrag nicht erneut auf die grossen makroökonomischen Fragen eingehen, die im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzung gestanden haben und dort auch weiterhin stehen. Wir werden nicht erörtern, ob eine Politik des leichten Geldes die Wirtschaft beleben kann, ob sie deren Finanzierung erleichtert, ob sie Arbeitslosigkeit verringert oder ob sie das Wirtschaftswachstum kurzfristig, mittelfristig und langfristig fördern kann.

Unser Augenmerk gilt vielmehr den Nebenwirkungen der verstaatlichten Geldproduktion. Welche weiteren Folgen ergeben sich, wenn der Staat seiner Bevölkerung ein weitgehend immaterielles Grundgeld aufzwingt? Wir haben diese Frage bereits in zwei Büchern aufgeworfen. Es bietet sich daher an, die wesentlichen Gedanken dieser Werke in aller Kürze zusammenzufassen und weiterzuführen.

III

In unserer Ethik der Geldproduktion (2007) haben wir die Emissionstätigkeit der Zentralbanken und der privaten Geschäftsbanken aus dem Blickwinkel der politischen Ethik aufgerollt. Sind staatliche Eingriffe in die Geldproduktion gerechtfertigt?

Wir hatten seinerzeit einleitend festgestellt, dass eine rein privatrechtliche Geldordnung möglich ist und somit eine relevante praktische Alternative zum herrschenden Geld-Eta- tismus bildet. Sodann unterstrichen wir, dass jeder einzelne staatliche Eingriff eine Verlet- zung privatrechtlicher Standards darstellt. Das betrifft insbesondere die Einschränkung von Freiheitsrechten, die unweigerlich mit der Einrichtung staatlicher Monopole einhergehen. Es betrifft die Nötigung anderer Menschen, die durch den Annahmezwang gesetzlicher Zahlungsmittel entsteht. Es zeigt sich auch in der Duldung irreführender Werbung, wie sie typischerweise von Teilreserve-Banken betrieben wird.

Aus privatrechtlicher Sicht scheint es somit unmöglich zu sein, den Geld-Etatismus zu rechtfertigen. Und in der Tat findet sich in der gesamten Literatur zu diesem Thema kein einziger Versuch, eine solche privatrechtliche Begründung staatlicher Eingriffe in die Geldordnung zu liefern.

Die typische Rechtfertigung besteht vielmehr im Hinweis auf das Gemeinwohl. Was aber ist damit gemeint? Den Juristen ist es bis heute nicht gelungen, eine befriedigende Definition zu liefern, die auch praktisch verwendbar wäre. Man könnte daher meinen, das Gemeinwohl sei vielleicht nur ein Wieselwort wie „soziale Gerechtigkeit“, unter dem sich jeder das vorstellen kann, was ihm gefällt, um dann nach seiner Façon selig zu werden. Aber vielleicht ist es auch kein Wieselwort. Vielleicht entspringen die Schwierigkeiten bei der Definition einfach daraus, dass das Gemeinwohl eine Eigenheit des sozialen Ganzen betrifft und nicht auf diesen oder jenen einzelnen Gesichtspunkt des Grossen und Ganzen reduziert werden kann (so argumentiert Lynda Raeder 1998). Das Gemeinwohl entspräche dann einer wirklichen Ordnung, im Gegensatz zur Unordnung oder zum Chaos. Dort, wo eine wirkliche Ordnung herrschte, wäre ipso facto auch dem Gemeinwohl gedient. Dort, wo eine solche Ordnung verletzt wäre, litte zwangsläufig auch das Gemeinwohl.

Der springende Punkt scheint somit darin zu liegen, dass das Gemeinwohl nicht an einem einzigen Kriterium bemessen werden kann. Es ist vielfältig. Es besitzt viele Dimensionen. Die Beantwortung der Frage, ob staatliche Eingriffe in die Währungsord- nung das Gemeinwohl fördern, verlangt daher die Prüfung verschiedener Gesichtspunkte. Wie wirkt sich der betreffende Eingriff auf die Tauschmittelfunktion des Geldes aus? Wie auf Wachstum und Beschäftigung? Wie auf die Stabilität der Wirtschaft? Wie auf die politischen Verhältnisse? Wie auf die Kultur und das geistige Leben?

Was die vornehmlich wirtschaftlichen Gesichtspunkte anbelangt, so haben wir im Kapitel 4 der Ethik der Geldproduktion  argumentiert, dass die staatlichen Eingriffe in die Geld- produktion keinen langfristigen Beitrag zur gesamtwirtschaftlichen Produktion leisten. Kurzfristig sind positive Beschäftigungs- und Wachstumseffekte möglich, aber stets nur zu Lasten des mittel- und langfristigen Wachstumspotenzials. Diesen klassischen Grundge- danken haben wir dann in Krise der Inflationskultur (2013) noch eingehender dargelegt (Kapitel III und IV). Ebendort haben wir auch eingehend genau jenen Wirtschaftsbereich studiert, der der grösste Nutzniesser der staatlichen Inflationspolitik ist, nämlich die Fi- nanzwirtschaft. Es ist wohlbekannt, dass das unerhörte Wachstum der Finanzwirtschaft in den letzten zweihundert Jahren ein Wachstum der Kreditwirtschaft war. Es ging somit einher mit einer wachsenden Zerbrechlichkeit, sowohl der einzelnen Finanzinstitute, als auch des Finanzsystems insgesamt (systemisches Risiko). Daraus entstand eine immer stärkere Abhängigkeit von der Notenpresse der Zentralbanken und eine immer grössere Konzentration der Banken und Zentralisierung des gesamten Finanzsystems.

Gleichzeitig aber änderte sich das Verhältnis zwischen der Finanzwirtschaft und der Realwirtschaft. Ohne staatliche Eingriffe in die Geldordnung befindet sich die Finanz- wirtschaft in einer dienenden Rolle im Verhältnis zur Realwirtschaft, was sich nicht zuletzt darin zeigt, dass ihr Wachstum nur ausnahmsweise und vorübergehend grösser ist als das Wachstum der Gesamtwirtschaft und dass ihre relative Bedeutung innerhalb der Ge- samtwirtschaft im Zeitverlauf stagniert bzw. abnimmt. Doch durch die ständige Subventi- onierung durch billige Kredite aus der Notenpresse wächst die Finanzwirtschaft wucherhaft, und sie zieht immer mehr materielle und menschliche Ressourcen in ihren Bann. Sie bleibt nicht mehr Dienerin, sondern wird zur Herrin.

Aus dem gleichen Umstand entspringen andere wirtschaftliche Folgen von der grössten Bedeutung, zum Beispiel eine ständige Umverteilung zugunsten derjenigen, die bereits vermögend sind, und zulasten derjenigen, die erst noch Vermögen aufbauen müssen. Selbst aus rein wirtschaftlichem Blickwinkel sind die Folgen staatlicher Eingriffe in die Währungsordnung somit durchaus zweideutig. Es mag hier und dort kurzfristige Vorteile geben, aber selbst diesen kurzfristigen Vorteilen stehen Nachteile entgegen, und auf lange Sicht verschlechtert sich die Bilanz immer mehr.

Hinzu kommen die solche Folgen, die man gewöhnlicherweise nicht als wirtschaftliche Folgen ansieht und auf die wir nun näher eingehen wollen.

IV

Die Verletzung von privatrechtlichen Regeln, insbesondere von Eigentumsrechten, zieht verschiedenartige rechtliche, wirtschaftliche, politische, kulturelle, psychologische, moralische und auch spirituelle Folgen nach sich.

Aus rechtlicher Sicht bedeutet die Verletzung von Eigentumsrechten eine partielle Zer- störung der Rechtsstaatlichkeit. Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Recht wird unter- graben. Es erfolgt eine Trennung zwischen privilegierten Nutzniessern und unterdrückten Opfern. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die gesellschaftliche Ordnung untergraben wird. Opfer werden immer gebracht, und sie werden auch durchaus gerne gebracht, wenn dem grossen Ganzen damit gedient ist. Das Problem im besonderen Fall der staatlichen Eingriffe in die Geldordnung besteht darin, dass die Vorteile für das grosse Ganze nur sehr kurzfristiger Art und auf lange Sicht illusorisch sind. Wenn die Bürger diese Sachlage begreifen, wird das gesellschaftliche Miteinander zunächst einmal belastet.

Aus wirtschaftlicher Sicht stellt die Verletzung von Eigentumsrechten einen Eingriff in die Privatrechtsordnung dar. Wie wir gesehen haben, entspringen daraus Allokations- und Anreizprobleme, sowie eine interventionistische Dynamik, in deren Verlauf es zu einer Aufblähung der privilegierten Wirtschaftszweige kommt, bei gleichzeitiger Schwächung, Zentralisierung und Abhängigkeit vom staatlichen (oder staatlich lizensierten) Geldgeber.

Aus politischer Sicht ist vor allem zu unterstreichen, dass durch die Geldeingriffe die demokratische Grundordnung untergraben wird. Denn letztere beruht in wirtschaftlicher Hinsicht auf der Beschränkung des staatlichen Budgets. Durch die prinzipiell unbegrenzte Ausweitung der Geldmenge kann der Staat seine Verfügungsgewalt prinzipiell unbegrenzt ausweiten, ohne dazu durch Wahlen oder Volksabstimmungen bevollmächtigt zu werden.

Aber die Demokratie wird auch in anderer und vielleicht noch grundlegenderer Weise be- einträchtigt, nämlich dadurch, dass durch die Geldeingriffe die Gesellschaft in zwei geteilt wird: in die Gewinner und Verlierer der Inflationspolitik.

Aus moralischer Sicht sind vor allem die Rationalitätsfallen relevant, die durch die staatlichen Eingriffe in die Geldordnung hervorgerufen werden. Durch diese Rationali- tätsfallen wird tugendhaftes Verhalten entmutigt und letztlich frustriert, während andererseits alle möglichen Laster subventioniert werden. Ohne staatliche Eingriffe in die Geldordnung würde die Akkumulation von Kapital zu immer niedrigeren Kapitalrenditen führen. Die Verwendung von Ersparnissen als Kapital wird zunehmend entmutigt, und immer mehr Ersparnisse landen in Spenden und anderen gemeinnützigen Verwendungen. Diese Tendenzen verkehren sich in ihr Gegenteil, wenn die Behörden finanzielle Hebelstrategien aus der Notenpresse und mit Steuergeldern subventionieren. Wenn sie Kredite zu niedrigen Zinssätzen vergeben und außerdem Investoren retten, die kurz vor der Zahlungsun- fähigkeit stehen, dann werden die natürlichen Grenzen gehebelter Investitionen zerstört und der Sättigungseffekt der Kapitalakkumulation verschwindet.

Der Staat stellt auf diese Weise eine Rationalitätsfalle auf. Die Sparer bzw. die Investoren haben nun materielle Anreize, ihre gesamten persönlichen Ersparnisse in Kapital zu ver- wandeln. Obwohl sie immer weniger sparen, werden sie dafür belohnt, dass sie einen immer größeren Teil dieser verminderten Ersparnisse in gewinnorientierte statt in nicht ge- winnorientierte Unternehmen investieren.

Doch Rationalitätsfallen halten nicht nur das materielle Vermögen der Menschen in ihrem Griff. Sie untergraben auch ihre kulturellen Orientierungen. Sie kehren die Werte um, die für eine freie Gesellschaft grundlegend sind. In kulturelle Hinsicht fördert die staatliche Inflationspolitik Materialismus, Orientierung auf kurzfristige Ziele, Hast, Egozentrismus, Gier. Wie ich in meinem neuen Buch Die Wirtschaft und das Unentgeltliche (2023) ausführe, zerstört diese kulturelle Neuausrichtung nicht zuletzt die Wirtschaft des Teilens und des Schenkens, und sie beeinträchtigt auch die unentgeltlichen Güter, die durch den Marktprozess spontan erzeugt werden.

Aus psychologischer Sicht ergeben sich dadurch zwiespältige Situationen. Der handelnde Mensch wird immer wieder in die Lage versetzt, dass die Verfolgung seiner wirtschaftlichen Interessen ihn in einen Gegensatz zum Gemeinwohl bringt, und z.T. auch in einen Gegensatz zu seinem eigenen langfristigen Wohl. Dieser Zwiespalt, diese Spannung untergraben die Lebensfreude, zerstören den Lebenssinn, entladen sich in Depressionen, Hartherzigkeit und Egoismus.

Auch die geistliche Dimension ist nicht zu unterschätzen. In einer natürlichen, auf Pri- vatrecht und Eigentumsrechten gebauten Wirtschaft, orientieren sich die Gedanken des handelnden Menschen bei wachsendem Wohlstand immer stärker auf langfristige Ziele und langfristiges Abwägen. Seine Gedanken neigen beinahe wie von selbst zu den grossen Fragen der menschlichen Existenz, zum Ursprung und Ende unseres Daseins und zur realen Gegenwart Gottes. Diese normalen Tendenzen werden durch das Hamsterrad der Inflationskultur ausgehebelt und geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Die Anstachelung des Egoismus und der Gier führen zur narzisstischen Nabelschau, zur Verwirrung und Verirrung des Menschen, der seinen Platz im Mittelpunkt der Weltordnung sucht und entrüstet feststellt, dass er dort nicht zu finden ist, sondern dass seiner Selbstverwirklichung vielmehr alle möglichen Hindernisse in den Weg gelegt sind, von politischen Barrieren über die Begrenzung seines Vermögens zu den Eigenheiten seines Körpers.

V

Die Kenntnis der Sachzusammenhänge, die wir soeben in aller Kürze hervorgehoben haben, kann einiges dazu beitragen, den kulturellen Niedergang der westlichen Zivilisation zu erhellen. Die meisten Kommentatoren, die sich zu diesem Thema äussern, gehen sie fälschlicherweise davon aus, dass wir in einer Welt allzu freier Märkte leben. Und so ver- fallen sie in verhängnisvolle kategorische Fehler bei der Zuschreibung von Ursachen, Fol- gen und Verantwortlichkeiten. Sie tadeln das Privateigentum und die wirtschaftliche Frei- heit für die Mängel, die in Wirklichkeit aus dem Interventionismus entspringen.

Dieser Fehler ist nicht neu. Es ist der Marx’sche Kardinalfehler der Verwechslung der Gesetze des Interventionismus mit den Gesetzen des Kapitalismus. Vor dreißig Jahren hat Hans-Hermann Hoppe (2006 [1993], Kap. 4) diesen Irrtum in einem brillanten Aufsatz seziert, der leider immer noch nicht weit genug bekannt ist.

 

Prof. Dr. J.G. Hülsmann
Faculté de Droit, d‘Economie et de Gestion Université d’Angers GRANEM

Guido.Hulsmann@univ-angers.fr

XVII International Gottfried von Haberler Conference, Vaduz, May 12, 2023.

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