Die Ideologisierung der öffentlichen Schule und ihre traurigen Folgen
Mit der Regelmässigkeit eines Schweizer Uhrwerks kehrt sie wieder, die öffentliche Empörung über die schockierend schlechten Pisa-Ergebnisse im deutschsprachigen Raum. In der Schweiz, in Deutschland und in Österreich zeigen die Pisa-Erhebungen bereits über viele Jahre hinweg immer dasselbe ramponierte Bild. In der Schweiz erreichen 19 Prozent der 15-Jährigen die von der OECD beschriebenen Mindestanforderungen (sic!) an eine mathematische Grundbildung nicht. Im Bereich Lesen beträgt der Anteil der leistungsschwachen Schüler satte 25 Prozent, während nur 9 Prozent als leistungsstark beschrieben werden. Dabei muss man in Betracht ziehen, dass sich die Schweiz weltweit eines der teuersten, wenn nicht sogar das teuerste öffentliche Bildungswesen leistet. 2020 investierte der Schweizer Steuerzahler 40 Milliarden Franken in die Bildung. Der mit Abstand grösste Teil davon floss in die obligatorische Volksschule.
Jedes Mal, wenn die unerfreulichen Pisa-Ergebnisse publiziert werden, entzündet sich der Handlungseifer von Politikern, Bildungsbürokraten und Sozialarbeitern, und mit grossem Pathos werden Massnahmen gefordert, um den vermeintlichen Bildungsnotstand zu bekämpfen. Dabei sind es sie selber, also Politik, Bürokratie, Bildungsestablishment und Sozialindustrie und nicht etwa die Schüler, nicht die Lehrer und schon gar nicht knappe Mittel, die für das Schulversagen verantwortlich sind. Nicht die Schüler sind über die Jahre hinweg dümmer geworden, sondern die Bildungspolitik samt ihren verfehlten reformpädagogischen Ansätzen und ihren internationalistischen Gleichheitsphantasien.
Die leistungsfeindliche Anbetung der «Chancengleichheit» zerstört das Leistungsethos in der Schule und setzt Inklusion, also die Doktrin, wonach alle überall ohne Einschränkung mitmachen dürfen und niemand ausgeschlossen oder seelisch verletzt werden darf, über den Bildungsauftrag der Schule. Inklusion kommt vor Bildung. So kommt es vor, dass sich Mädchen reihenweise vom Matheunterricht dispensieren lassen, weil dieser angeblich sexistisch sei. Das Zuspätkommen ist normal und hat keine Folgen mehr. Das Recht auf «Nachteilsausgleich» zerstört jede Motivation, sich in einem unangenehmen Fach anzustrengen, und wird unter Schülern schon wie eine Art Accessoire präsentiert («welchen Nachteilsausgleich hast Du?»).
Gewisse Kantone schaffen die Noten in der Schule ganz ab, man will die schulischevSelektion nach Leistungsniveau im Geiste der Inklusion verbieten und dafür die Bildungsziele nach unten nivellieren. Die Schule soll die «klassenlose Gesellschaft» abbilden, ein marxistisches Ideal. Die bürgerlichen Kräfte haben das woke Tun des ideologisierten Bildungsestablishments seit Jahrzehnten geduldet. Sie haben sich in der direktdemokratischen Schweiz zum Teil sogar aktiv dafür eingesetzt, dass es keine
Volksabstimmungen über Bildungsreformen gibt. Das Volk soll bei der Volksschule nicht mitreden. Wie erfolgreich dieses planwirtschaftliche Top-Down-Konzept ist, zeigen die Pisa-Resultate; Note: ungenügend.
Was ist zu tun? Bildung – und zwar auch und ganz besonders die obligatorische Schule – muss aus dem Einflussbereich internationalistischer Gremien in die nationale und kantonale Verantwortung zurückgeholt werden. Bildung muss wieder zur Kultur werden, Leistung muss sich in der Schule wieder lohnen. Das ist eine zutiefst föderale Aufgabe und ein Kernauftrag des liberalen Staates. In der Schweiz laufen zurzeit einige kantonale Volksinitiativen (Basel-Stadt, Zürich), die mit dem Unfug einer apodiktischen Inklusionslehre aufräumen wollen. Es sind die ersten wichtigen Schritte eines noch sehr langen Weges.