Hans Besters (1923-2009) Erinnerungen an einen grossen Ordnungspolitiker
by T.A. Lackmann
Hans Besters hat in Bochum Generationen von Ökonomen und Juristen Wirtschaftspolitik erklärt. Er verlangte von seinen Studenten immer, dass sie Wirtschaft so erklären könnten, “dass Ihre Haushälterin” es versteht. Der Zwischenruf eines Studenten, dass er keine Haushälterin habe, amüsierte einen kompletten Hörsaal.
Viele Professoren der Nationalökonomie kennen Wirtschaft nur von aussen. Bei Besters war das anders. Der am 3. Mai 1923 in Essen geborene Hans Besters war auch Aufsichtsrats-Chef von Mannesmann, als die Düsseldorfer Röhren- und Maschinenbauer noch in Stahl gemacht hatten. Und dementsprechend der Montan-Mitbestimmung unterlagen mit “der vollen Parität”, wie es damals hiess. Denn Gewerkschafter beklagten stets, dass nur die Montan-Mitbestimmung eine echte Form der Mitbestimmung wäre, weil Arbeitgeberseite und Arbeitnehmerseite gleich stark wären. Ausserhalb von Montanbetrieben entschied in Streitfällen der Vorsitzende des Aufsichtsrates – und den stellte nach deutschem Mitbestimmungsrecht, das Angelsachsen nie so richtig verstanden haben, die Kapitalseite.
Mannesmann wollte die Montanwelt verlassen und frühzeitig in den damaligen Zukunftsmarkt Mobilfunk einsteigen. Tatsächlich geschah das erst am 1. Juli 1992, aber schon ein Jahrzehnt
vorher liess Besters damals seine Studenten an dem einzigartigen Versuch teilhaben, ein Unternehmen aus der Montanmitbestimmung “herauszubrechen”. Und damit erfuhren Besters’ Studenten auch, mit welchen Bandagen die Gewerkschaftsseite (vertreten durch den damals legendären IG-Metall-Chef Franz Steinkühler, der später über eine Insider-Affäre bei Mercedes stolpern sollte) sich dagegen vehement zu wehren versuchte.
Besters schilderte die Auseinandersetzungen nicht als einen Konflikt legitimer Interessen, die gegenläufig oder sogar antagonistisch waren. Sondern sorgte bei seinen Studenten für Heiterkeit, als er die Strategie der Gewerkschaften als kontraproduktiv geisselte mit den Worten “Wenn ich die Gewerkschaften beraten würde …”. Das konnte sich in der Tat keiner bei dem eingefleischten Ordnungspolitiker Besters vorstellen.
Aber nachdem in den 70er Jahren der damalige ötv-Chef Kluncker die Gewerkschaftspolitik mit einem “kräftigen Schluck aus der Pulle” (volkstümliche Version des Keynesianischen Gedankens einer “expansiven Lohnpolitik”) bestimmte und scheinbar die Regierung Brandt aus den Angeln hob, verwies Besters ständig darauf, dass dies nur zu Rationalisierungsinvestitionen führen würde. Die Gewerkschaften also Krieg gegen die Arbeiterschaft führen würden. Und bestenfalls die Interessen der Arbeitsplatzbesitzervertreten würden, ganz gewiss aber nicht die der Arbeitsuchenden.
Besters Rat an die Beschäftigten: Aktien kaufen und Kapitalerträge realisieren. “Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand” hiess das damals. Doch die Gewerkschaften wollten davon nichts wissen, Gewerkschafter als Kapitalisten – das wäre ja noch schöner gewesen. Nur in von Gewerkschaftsfunktionären kontrollierten Fonds hätten sich das die Herren Vetter, Steinkühler” Co. vorstellen können. Und weil auch viele bürgerliche Politiker die “Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand” nicht als strategische Waffe erkannten, wurde nichts aus einem “breiten Volkskapitalismus”; in Deutschland. Der Ordnungspolitiker Besters hatte klare Feindbilder: Dazu gehörte die mathematisierte Ökonomie und die sogenannte “Jüngere Historische Schule” (Gustav von Schmoller). Während für das deutsche Wort “Ordnungspolitik” (rote und grüne Politiker verwechseln das heute oft mit “Ordnungsrecht”) in anderen Sprachen wenig oder wenig gute Übersetzungen existieren, “bleute” Besters seinen Studenten die Wesensmerkmale von Ordnungspolitik versus Prozesspolitik ein:
Ordnungspolitik Prozesspolitik
——————————————————————————————————————–
Träger Legislative Exekutive
Zielarten qualitativ quantitativ
Zeithorizont langfristig kurzfristig
An Beispielen wie Wettbewerbsrecht und Konjunkturprogrammen wurde Ordnungspolitik den Studenten immer wieder praktisch erklärt. Dabei diskutierete Besters mit seinen Studenten den sog. “Werner-Plan”, benannt nach dem luxembourgischen Präsidenten der damaligen EWG-Kommission, der schon 1970 einen Plan für eine “Wirtschafts- und Währungsunion” vorgelegt hatte. Eine europäische Gemeinschaftswährung wurde von den Ökonomen also schon lange vor der Einführung des EURO diskutiert.
Besters präsentierte den Studenten die geldpolitischen Forschungen von Brunner, Meltzer und Friedman. Wobei die Studenten Milton Friedman eigentlich nur als den Monetaristen
kennenlernten – nicht als den grossen libertären Ökonomen. Mit Vergnügen erinnern sich die Studenten von Besters heute nicht nur an seine massive Politikerschelte: “Sie schaffen die Probleme erst, die zu lösen sie vorgeben“. Sonders ebenso auch an sein “Glaubensbekenntnis”: “Wettbewerb ist das einzige System nicht-autoritärer Sozialkontrolle“.
Für Studenten, die kurz vor dem Diplom standen, hielt Besters quasi zum Abschied noch immer eine Vorlesung, die den angehenden Diplomökonomen (an der Ruhr-Universität Bochum wurde nur ein Studium der Volks- und Betriebswirtschaft zusammen angeboten; die an anderen Universitäten bekannte klassische Teilung in Nationalökonomie und Betriebswirtschaft hat es in Bochum nie gegeben) den “Service” bieten sollte, fortan “nicht auf jeden Blödsinn” hereinzufallen.
Besters als Verteidiger der ökonomischen Interessen der wirtschaftlichen Eliten im Kapitalismus?
Weit gefehlt! Besters kritisierte vehement praktisch kostenlose Universitätsausbildung: “Warum soll die Krankenschwester dem Anwaltssohn die Ausbildung zum Chefarzt finanzieren”, fragte er provokant und forderte Studiengebühren bei gleichzeitiger Gewährung von Stipendien. Und warum sollen hart arbeitende Fabrikarbeiter Ärzten, Architekten, Anwälten und anderen Privilegierten ihren Kulturgenuss bezahlen? Jeder Opernbesuch wurde schon damals mit sehr viel Steuergeld subventioniert. Die ordnungspolitisch geschulten Studenten von Hans Besters, der am 20. November 2009 in Bochum starb, sahen die Welt nach ihrem Studium zumeist mit anderen Augen als die meisten Soziologen (Gender-Wissenschaftler gab es damals zum Glück noch nicht).