Austrian Institute Newsletter, Mai 2024

Diesen Newsletter begann ich auf der mehrstündigen Rückfahrt nach Wien von der alljährlich stattfindenden Gottfried von Haberler-Konferenz des ECAEF in Vaduz zu schreiben. Thema der Konferenz war dieses Jahr die Privatisierung des Bildungswesens, insbesondere freie Schulwahl und Wettbewerb zwischen Staat und privaten Anbietern durch die Einführung eines Gutschein-Systems, wie es etwa in Schweden bereits seit den frühen 1990er Jahren existiert. Dort waren die Kosten des Bildungswesens und des Wohlfahrtsstaates generell aus dem Ruder gelaufen und man wollte radikale Abhilfe schaffen.

In der Folge der Pandemie, als öffentliche Schulen ihre Schüler zwangen, zu Hause zu bleiben, erhielten in den USA Privatschulen ganz unabhängig von weltanschaulichen Gründen vermehrt Zulauf. In vielen US-Staaten – Tendenz steigend – existiert gegenwärtig die allgemeine freie Schulwahl mit einem Voucher-System.

Dennoch zeigt sich etwa in Schweden, dass private – „unabhängige“ – Schulen kostenmäßig nicht unbedingt besser wirtschaften als öffentliche. Zudem sind sie, was den Lehrplan betrifft, stark reguliert. Vor allem aber sind sie meist klein und deshalb in ihrem Angebot beschränkt und wegen mangelnder Größe auch qualitativ weniger gut. Schließlich zeigt sich, dass auch die freie Schulwahl selbst eher auf dem Papier besteht: Die meisten Schüler besuchen, wie zuvor aufgrund staatlicher Zuteilung, die am nächsten gelegene Schule in der Umgebung ihres Wohnortes.

Dieses etwas durchzogene Ergebnis könnte also ernüchternd scheinen. Doch das täuscht. Zunächst: Es geht nicht einfach nur um niedrigere Kosten, auch wenn das in Schweden sicher ein Grund war, die freie Schulwahl einzuführen. Es geht vor allem um den Wert der Wahlfreiheit und den Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Anbietern. Dadurch kann sich auch die Qualität der öffentlichen Schule verbessern. Vor allem, aber: Die öffentliche Schule mit staatlich kontrollierten Lehrplänen ist stets eine potentielle Gefahr. Das zeigt sich heute natürlich am deutlichsten in Staaten wie China.

Auch wenn die ideologische Kontrolle durch den Staat bei uns nicht so extrem und systematisch ist, ist die staatliche Schule der Gefahr einer einseitigen Ideologisierung ausgesetzt. Denn sie befindet sich zunehmend in den Händen von Erziehungswissenschaftlern und Pädagogen, die – außer in ihrer eigenen Schulzeit – wohl noch nie ein Klassenzimmer von innen gesehen haben. Diese Schule, finanziert mit Steuergeldern, wird zum Spielfeld destruktiver pädagogischer Theorien, die Leistungsanreize wie Noten und überhaupt eigentliches Lernen – Wissensvermittlung – als (für die weniger Begabten) schädlich, diskriminierend und nicht-inklusiv betrachten.

Harmlos sind diese erziehungswissenschaftlichen Eskapaden keineswegs, denn sie sind durchsetzt mit einem ideologischem Ballast, der keineswegs neutral ist, sondern Denken und Fühlen junger Menschen in eine Richtung lenkt, die nicht zu einer offenen, liberalen Gesellschaft passen. Letztlich handelt es sich um Manipulation. Wer nichts mehr „weiß“, sondern nur (angebliche) „Kompetenzen“ besitzt, der kann diese Kompetenzen auch nicht rational und eigenverantwortlich ausüben. Er wird fremdgesteuert, nach dem Willen unserer Erziehungswissenschaftler und anderer Ideologen, die diesen ihren Willen mit den Mitteln der allgemeinen Schulpflicht und damit der Zwangsgewalt des Staates durchsetzen, finanziert mit dem Steuergeld ihrer Mitbürger, die dabei nichts zu sagen haben.

Auf diesem Hintergrund erhält die Forderung nach Privatisierung des Bildungswesensoder zumindest nach freier Schulwahl und einem Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Schulen, eine ganz neue Dimension und Dringlichkeit. Allein: Nur Private Anbieter genügen nicht, solange der Staat immer noch die Lehrpläne bestimmt und private Schulen durchreguliert und damit letztlich seine Monopolmacht nutzt, um echten Wettbewerb zu verhindern.

Denn im Wettbewerb geht es nicht nur darum, dass verschiedene Anbieter das Gleiche anbieten, sondern auch, dass Verschiedenes angeboten wird und die Konsumenten, in diesem Fall also die Schüler bzw. – das ist der entscheidende Punkt – in ihrem Auftrag die Eltern entscheiden, welches Angebot sie nutzen wollen. Denn schulische Bildung, vor allem die Volksschule, ist erste Verantwortung der Eltern, die diese Aufgabe in der Regel aber nicht selbst ausüben können, sie deshalb an Fachkräfte delegieren. Aber nicht an den Staat, sondern eben an die Schule, die in ihrem Auftrag, und nicht im Auftrag des Staates handeln sollte. Der Staat kann und sollte hier nur „subsidiär“ wirken.

Das staatliche Gesetz kann, darf legitimerweise und sollte auch eine allgemeine Schulpflicht verfügen, um zu verhindern, dass Eltern,  entgegen den Interessen ihrer Kinder, diesen auf unverantwortliche Weise eine Schulbildung vorenthalten und sie damit in ihren Zunftsmöglichkeiten gravierend schädigen. Damit hilft der Staat, das objektive Bildungsbedürfnis junger Menschen zu erfüllen und schützt sie vor eventuellem Machtmissbrauch unverantwortlicher Eltern. Der Staat sollte sich aber enthalten, feste Lehrpläne  bzw. deren Inhalte samt Lehrmitteln vorzuschreiben.

Die Forderung, der Staat dürfe in Fragen der Bildung und Erziehung nur subsidiär, also helfend, unterstützend, aber nicht bestimmend, eingreifen, vor allem also keine verbindlichen Lehrpläne aufstellen, stammt ursprünglich von dem katholischen Bischof von Münster, Wilhelm Emmanuel Freiherr von Ketteler (1811-1877). Es war der Ursprung des „Subsidiaritätsprinzips“. Ketteler verteidigte natürlich die Freiheit der kirchlichen Schulen gegenüber dem Zugriff des preußischen Staates, der aus jungen Menschen hörige Staatsdiener machen wollte – mit den bekannten Folgen. Aber er verteidigte damit die Freiheit aller.

Obwohl Ketteler kein Liberaler war, verteidigte er die Freiheit aller gegen einen damaligen Liberalismus, der, seine Prinzipien verratend, im Kampf gegen die Kirche zentralistischund fast diktatorisch wurde, dies mehr noch in katholischen Ländern wie Italien und Frankreich. Das ist heute wieder durchaus aktuell, weil das Bildungswesen, vor allem die  Schule, zunehmend in die Hände von Gruppen gelangt sind, die im Verbund mit der Staatsgewalt eine ideologische Umerziehung der Jugend, eine regelrechte Kulturrevolution vorantreiben. Die Details sind bekannt und brauchen hier nicht aufgelistet zu werden.

Privatschulen sind aber nicht nur freiheitssichernd in entwickelten Gesellschaften, sondern auch eine Chance – oft die einzige Chance – für Kinder in Slums und generell in Ländern und Regionen mit großer Armut. So gibt es – wie die britische Entwicklungs- und Bildungsökonomin Pauline Dixon von der Universität Newcastle, an der Konferenz darlegte – in Ländern wie Indien Nigeria, Kenya usw. in den ärmsten Gegenden und mitten in Slums kostenpflichtige Privatschulen, die zum Teil registriert sind, zum großen Teil jedoch auch nicht, und deshalb auch nicht in den offiziellen Statistiken auftauchen. Viele haben über tausend Schüler und alle vermitteln sie erfolgreich Grundkenntnisse wie Lesen. Schreiben, Mathematik und vor allem Englisch, in diesen Ländern das Eintrittstor zur höheren Bildung.

Deshalb – dies als Nebenbemerkung – darf man auch zuversichtlich sein, dass Privatschulen in hochentwickelten Ländern, die im Wettbewerb mit anderen Schulen stehen, es schaffen werden, Lehrpläne zu entwickeln, die den Anforderungen für den Zugang zur höheren Bildung, insbesondere zur Universität, erfolgreich entsprechen.

Staatliche Funktionäre etwa in Indien sind, so Pauline Dixon, überzeugt, Menschen in den Slums seien zu ignorant, um zur Wahl einer Schule fähig zu sein. Deshalb versucht man sie in das kostenlose staatliche Schulsystem zu locken. Doch das scheitert: Die Armen ziehen die privaten Schule vor, und zwar gerade, weil sie nicht unentgeltlich, sondern kostenpflichtig sind. Denn das bedeutet: Die Lehrer können zur Rechenschaftgezogen werden, sie unterreichten auch tatsächlich und erscheinen jeden Tag, während etwa in Indien das Problem der kostenlosen staatlichen Schulen darin besteht, dass die Lehrer, obwohl sie vom Staat bezahlt werden, nur allzu oft überhaupt nicht zum Unterricht erscheinen, sie jedoch niemand zur Rechenschaft ziehen kann (oder will).

Hartnäckig hält sich jedoch die Meinung, Privatschulen nützten nur den Reichen, arme Menschen hingegen seien unfähig, in Bildungsfragen eine für sie vorteilhafte Wahl zu treffen. Sie bräuchten deshalb die Unterstützung eines kostenlosen staatlichen Schulsystems, das dann auch mit Hilfsgeldern aus aller Welt überschüttet wird, aber mangels „accountability“ ineffizient bleibt. Die Ärmsten sind klug genug, um das zu merken und sich privaten Anbietern zuzuwenden, denen sie vertrauen – gerade, weil ihr Angebot nicht kostenlos ist. Eine Lektion der ganz eigenen Art, die auch zeigt, wie Märkte effizienter sein können als staatliche Top Down-Lösungen.

Das nur einige Einblicke in die Ergebnisse einer an Substanz reichen Konferenz zu einem Thema, das immer aktueller wird.

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