Frauen im Mises-Privatseminar

Frauen Mises Privatseminar / Henrique Schneider
Frauen Mises Privatseminar / Henrique Schneider.

Der folgende Beitrag erschien zuerst in ‘ef’ – eigentümlich frei, am 21. Februar 2018. Wir danken dem Autor Henrique Schneider für die Erlaubnis, ihn auf der ECAEF-Webseite ebenfalls veröffentlichen zu dürfen.

Geschichte durch die Brille der Freiheit

Frauen im Mises-Privatseminar

Das Mises-Privatseminar gilt zu Recht als Hort der Entwicklung und Systematisierung der österreichischen Schule. Was es aber auch war: Einer der ersten Orte der Frauen-Emanzipation in der akademischen Welt Österreichs.

Im Jahr 1878 wurde es den Frauen im kaiserlich-königlichen Imperium erlaubt, Vorlesungen als Gäste zu besuchen. Ab 1897 liessen die Universitäten Wien, Prag, Graz und Innsbruck Studentinnen zur philosophischen Fakultät zu, ab 1900 auch zum Medizinstudium, aber erst nach Ende des Ersten Weltkriegs erhielten sie 1919 Zutritt zur juristischen Fakultät, wo auch die Ökonomie untergebracht war. Doch schon 1920 nahmen Frauen am Mises-Privatseminar teil.

Zum Vergleich: 1893 konstituierte sich in Wien die Freie Vereinigung Sozialistischer Studenten. Im Zuge der Revolution 1918/19 gründeten sich auch in Innsbruck und Graz sozialistische Studierendenorganisationen. 1922 schlossen sich die Gruppen in Wien, Graz und Innsbruck dem – im Übrigen grossdeutsch orientierten – Verband Sozialistischer Studenten. Frauen konnten hier erst 1922 Mitglied werden. Und auch Hayek unterhielt einen Diskussionskreis – nur für Männer. Die Damen im Mises-Privatseminar apostrophierten das Hayek’sche Konstrukt ironisch „Geistkreis“. Sowohl Ludwig von Mises in seinen Memoiren als auch Gottfried von Haberler in seinen Erinnerungen an das Privatseminar nannten verschiedene Studentinnen und Ökonominnen als gleichberechtigte Teilnehmer. Beide scheinen dies aber nicht hoch zu gewichten. Für sie war es wohl „normal“, dass in einer akademischen Diskussion Frauen genauso wie Männer auftreten konnten. Wer waren dieser Frauen? Vier Kurzbiographien:

Die Wissenschaftlerin

Stephanie Martha Braun (1898 in Wien – 1990 in New York) studierte in Freiburg/Breisgau und promovierte als eine der ersten Frauen 1921 in Staatswissenschaften in Wien. Als Teilnehmerin am Mises-Privatseminar schrieb sie laufend Rezensionen, bank- und geldwirtschaftliche Beiträge sowie Beiträge zu wirtschaftspolitischen Fragen und veröffentlichte schliesslich ihre Theorie der staatlichen Wirtschaftspolitik (1929), der erste Versuch einer theoretische Begründung und Begrenzung von Wirtschaftspolitik in deutscher Sprache. Nach dem Anschluss emigrierte sie in die USA und veränderte dort ihren Namen zu Martha Steffy Browne. Zwischen 1947 bis 1969 arbeitete sie als Professorin im Brooklyn College. Nach ihrer Emeritierung war sie noch zwölf Jahre als Gastprofessorin an der New York University tätig.

Die Vielseitige

Helene Lieser (1898 in Wien – 1962 in Wien) studierte 1916 bis 1919 fünf Semester Philosophie an der Universität Wien, besuchte aber auch rechtswissenschaftliche Lehrveranstaltungen, und seit 1919 studierte sie Staatswissenschaften, wo sie unter Mises doktorierte. Ihre war die erste staatswissenschaftliche Dissertation einer Frau in Österreich. Lieser besuchte das Privatseminar von Mises, war ständiges Mitglied der „Nationalökonomischen Gesellschaft“ (bis zu ihrem Ausschluss 1938) und arbeitete nach ihrem Studium beim „Verband österreichischer Banken und Bankiers“ in Wien. Helene Lieser musste 1938 wegen ihrer jüdischen Herkunft Österreich flüchten und wurde jugoslawische Staatsbürgerin. Sie ging nach Genf, wo sie bis 1940 wieder mit Mises
zusammenarbeiten konnte. Dort wurde sie auch als Spionin zunächst für den sowjetischen, dann für den britischen Geheimdienst tätig. Nach dem Krieg blieb sie aktiv. Sie half mit, die OEEC, „Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit“, und die UNESCO zu gründen. Sie wurde Mitglied des Kuratoriums des „Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung“ und sekretarisierte die „International Economic Association / Association Internationale des Sciences Économiques.“

Die Publizistin

Ilse Schüller Mintz (1904 Wien – Washington D.C. 1978) studierte Wirtschaftswissenschaften in Wien. Sie wurde zwar zum Dr. rer.pol. promoviert, doch weil keine Urkunde ausgestellt werden konnte, wurde ihr die Promotion aberkannt. Mises nahm sie gerne im Privatseminar auf, wo sie sich vor allem auf den Aussenhandel spezialisierte. Zusammen mit ihrem Ehemann und Kindern emigrierte sie im Jahr 1938 in die USA, wo sie als Nationalökonomin tätig blieb. Sie setzte ihr Wirtschaftsstudium an der Columbia University fort, wo sie 1945 endgültig promoviert wurde, und begann an der Columbia University zu unterrichten. Neben ihrer Professur arbeitete Ilse Schüller für das National Bureau of Economic Research in New York, für das sie über 80 Studien über den Einfluss von ausländischen Anleihen und Aussenhandel auf ökonomische Zyklen publizierte.

Die Unbekannte

Marianne von Herzfeld (vermutlich Wien – Edinburgh) war eigentlich Historikerin. Sie schrieb ihre Dissertation an der philosophischen Fakultät. Mit dem bereits 1919 publizierten Band „Zur Orienthandelspolitik Oesterreichs unter Maria Theresia“ wurde Mises auf sie aufmerksam. Sie verstand das Zusammenspiel von Geld, Aussenhandel und Schuld sehr gut und wurde dafür im Privatseminar aufgenommen. Parallel dazu arbeitete sie im „Österreichischen Verband von Banken und Bankiers“ wo sie mit anderen Teilnehmenden des Privatseminars im Austausch blieb. Während des Kriegs emigrierte sie nach Edinburgh. Dort leitete sie ein Kinderheim und verbliebt als Übersetzerin tätig.

Mises der Frauenförderer?

Das sind nur einige Biographien der vielen Frauen, die am Mises-Privatseminar teilnehmen konnten. Gertrud Lovasy – die vor internationalen Regulierungskartellen warnte –, Elli Spiro-Oppenheimer oder Maria Oppliger wären weitere Namen für Biographien. Zeitweilig sollten Frauen bis zu einem Viertel der Teilnehmenden ausgemacht haben. War Mises also der grosse Frauenförderer? Keineswegs. Mises wusste besser als alle, dass Förderungen problematisch sind. Damit Ideen gut werden, müssen sie im freien Ideenmarkt bestehen. Mises war also nur offen für gute Ideen.


* Henrique Schneider ist Volkswirt, Ressortleiter im Schweizerischen Gewerbeverband und in der Erwachsenenbildung tätig.

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